Snooker Showkampf der Weltmeister O’Sullivan und Davis in Vallendar | Robin Brand, Rhein-Zeitung
Tonnenschwere Tribünen reichen bis an die Decke des Tennis-Centers Letzelter in Vallendar. Knapp 1000 Zuschauer schauen auf das Grün, auf dem sich zwei Weltstars duellieren. Doch es sind keine Tennisspieler, die das Publikum in den Bann ziehen. Es sind die Snookerstars Ronnie O’Sullivan und Steve Davis. Der eine hat fünf Weltmeistertitel gesammelt, der andere sechs. Beide sind Legenden ihres Sports. Oder, wie es ein Zuschauer ausdrückt: „Ronnie ist der Hammer. Und Steve ist Steve.“
Ein unmöglicher Stoß
Langsam schreitet Steve Davis am wuchtigen Snookertisch entlang, lotet seine Möglichkeiten aus. Die grüne Kugel liegt frei vor einem Eckloch, zwischen grüner Kugel und weißem Spielball liegt ein Hindernis, doch über eine Bandenberührung ist die Kugel erreichbar. Steve Davis könnte so sein Spiel fortsetzen. Er könnte. Doch er hat etwas anders vor. Er wendet sich ans Publikum und erklärt, wie er den Ball über die 3,56 mal 1,78 Meter große Tischfläche spielen will. Er deutet auf einen Punkt auf der gegenüberliegenden Bande, dann auf sechs weitere über den gesamten Tisch verteilt. Über sieben Bandenberührungen soll die weiße Kugel sich ihren Weg zur grünen bahnen. Das Publikum reagiert mit ungläubigem Gemurmel, es ist ein unmöglicher Stoß. Dann wird es still. Steve Davis konzentriert sich und setzt zum Stoß an, gibt der weißen Kugel mit einer sanften Queueberührung ihren Weg vor. Wie auf einer Magnetbahn beschreibt diese millimetergenau den Weg, den Davis vorhergesagt hatte, berührt erst einmal die Bande, dann ein weiteres Mal, dann ein drittes Mal, das Publikum wird lauter, dann vier weitere Male, bevor sie nach etwa zehn Metern Strecke exakt mittig auf die grüne Kugel trifft. Das Publikum tobt, feiert Steve Davis mit Ovationen im Stehen.
Der 56-Jährige gibt an diesem Abend den guten Cop, zieht immer wieder schwierigere Lösungen dem schnellen Erfolg vor und kommentiert genüsslich seine misslungenen Versuche. Der schweigsame Ronnie O’Sullivan hingegen locht kompromisslos jeden Ball oder tötet Fliegen, wenn sie sich auf der Spielfläche niederlassen. Zeit zum Nachdenken scheint er für beides nicht zu brauchen. In der Snookerszene haben ihm seine Lochfähigkeiten den Spitznamen „The Rocket“ eingebracht. Er ist der Star der Szene, viele halten ihn für den besten Spieler aller Zeiten. Auch in Vallendar tragen Fans T-Shirts, die mit seinem Konterfei bedruckt sind. An dem Merchandisingstand werden Ronnie-O’Sullivan-Fanschals verkauft, der Veranstalter hätte doppelt so viele Tickets für diesen Abend absetzen können. Die Marke O’Sullivan verkauft sich auch in Deutschland. Dennoch fristet Snooker, der taktikgeprägte Sport der Gentlemen, ein schwieriges Dasein in Deutschland. Trotz Eurosport-Moderator Rolf Kalb, der die Faszination dieser komplizierten Billardvariante so manchem Zuschauer zugänglich gemacht hat und auch in Vallendar die „Stimme des Snookers“ gibt. Etwa 4000 Spieler sind in Deutschland aktiv, in Großbritannien sind es 6 Millionen. In China sahen 2005 etwa 100 Millionen Fernsehzuschauer das Finale der China Open.

Werbung für den Sport
Um Weltranglistenpunkte geht es für O’Sullivan und Davis beim Showkampf in Vallendar nicht. Sie wollen für Snooker werben. O’Sullivan tut dies in einer Eleganz, die den Sport spielerisch einfach aussehen lässt. Wie schwierig Snooker ist, zeigt Davis, der immer neue komplizierte Spielsituationen ersinnt – und an ihnen scheitert. Dafür stilisiert der Mann, der in den 1980er-Jahren sechsmal Weltmeister wurde, seinen Kontrahenten zu einer Ikone des Sports. Laut fragt er sich vor Situationen, in denen er vorgibt, nicht weiter zu wissen, was O’Sullivan tun würde („What would Ronnie do now?“). Oder sinniert, dass das aufstrebende Snookerass Judd Trump wohl auch nach seinem Tod noch Albträume von O’Sullivan haben wird. Warum Davis auf solche Ideen kommt, darf schließlich ein verheißungsvolles Talent erfahren: der Deutsche Meister Lukas Kleckers. Der 17-Jährige versucht sich gegen den Engländer. Einen Frame (Satz) gewinnt er nicht, sein Talent deutet er aber trotzdem an, als er im abschließenden Frame die Kugeln reihenweise versenkt. Und auch damit das Publikum begeistert.

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